Keine Zeit für Foodwaste. Danke.

Fleur Budry

Letzte Woche hungrig eingekauft und jetzt schimmelt das vergessene Gemüse im untersten Kühlschrankfach vor sich hin, weil dann doch nur zwei statt drei Gurken im Zaziki gelandet sind. Es gibt viele Gründe, warum Essen zuhause schlecht wird. Und es passiert uns allen. Aber vielen Menschen ist nicht bewusst, welche Mengen an Lebensmitteln weggeworfen werden, vor allem in den privaten Haushalten. Letztere sind für knapp einen Drittel der Lebensmittelabfälle in der Schweiz verantwortlich. Mit öffentlichen Kühlschränken und Sensibilisierung setzt sich «Madame Frigo» gegen Foodwaste ein. Der gemeinnützige Verein wird schweizweit von über 600 Freiwilligen unterstützt. Es stecke eine Menge Arbeit dahinter, aber auch eine Menge Motivation, erzählt Melanie Marti, Leiterin der Geschäftsstelle in der Neustadt Luzern.
Kurze Szene mit schnellen Wechseln
Beim Besuch am Helvetiaplatz, einem der Kühlschrankstandorte in Luzern, packt Marti das Putzzeug aus dem Beutel, um unerwünschtes Gekritzel am Kühlschrank zu entfernen. Da öffnet auch schon eine Passantin denselben und holt drei Zucchetti heraus. Sie wirkt glücklich über ihren Frigofund. Die Idee von «Madame Frigo» sei top, sie kenne das Projekt seit über einem Jahr und profitiere davon. Während die eine Frau erzählt, kommt eine andere, etwas ältere, mit Rollator vorbei, öffnet den Frigo, stellt ein Plastiksäckli hinein, und geht wieder. Keine zehn Sekunden später fährt eine Frau mit dem Velo an, öffnet den Kühlschrank, schaut in das Plastiksäckli und legt es in ihren Velokorb. Auf Anfrage kramt sie der ersten Passantin noch einen Plastikbeutel für ihre Zucchetti hervor und fährt weiter. – Das war nicht einstudiert, kommentiert Marti mit einem Lächeln im Gesicht.
Was soll in die Frigos, was nicht?
Regeln zur Benutzung, auch nachlesbar an den jeweiligen Frigos, sind zum Beispiel: Keine offenen, angebrauchten Produkte in den Kühlschrank legen. Das Mindeshaltbarkeitsdatum darf überschritten sein, das Verbraucherdatum nicht. Kein Alkohol. Kein Fleisch, kein Fisch, weil da die Kühlkette nicht gewährleistet ist. Auch bereits verarbeitete Lebensmittel gehören nicht in den öffentlichen Kühlschrank. Gemüse, Früchte, Brot, Pasta und Reis sind willkommen.
Egal ob Hineinlegen oder Herausnehmen: Die Menschen, die die Kühlschränke nutzen, sind dankbar dafür. Liegt ein Frigo am Schulweg, freuen sich Kinder schonmal über ein Gipfeli, das noch im Fach liegt. Für die Einhaltung der Regeln und Sauberkeit sorgen freiwillige Kühlschrankbetreiber:innen, die «ihre» Frigos mindestens alle zwei Tage kontrollieren.
Foodwaste geht uns alle an
Ein Kühlschrank wird beim Pfarreizentrum Bruder Klaus in Emmenbrücke betrieben, in der Nachbarpfarrei St. Mauritius Emmen demnächst ein weiterer eröffnet. Als Diakonieverantwortliche im Pastoralraum ist Ulrike Zimmermann begeistert: «Es läuft wirklich in beide Richtungen, das Angebot ist gefragt. Es gibt eben Menschen, die sich am Ende des Monats kaum mehr etwas leisten können.» Dazu komme, dass das Pfarreizentrum gut erreichbar sei.
Die Kühlschränke passen auf Kirchenboden, findet auch die Katholische Kirche Stadt Luzern. Sie will nächstes Jahr im Rahmen eines Nachhaltigkeitsprojekts neue Kühlschränke aufstellen. Das Team von «Madame Frigo» unterstützt mit grossem Knowhow in der Planung. Laut Harald Horber vom Fachbereich Nachhaltige Entwicklung gibt es bereits Anfragen von Freiwilligen, die einen Kühlschrank betreuen wollen. Und an Motivation dürfe es nicht fehlen, «sonst funktioniert es nicht,» betont Marti. Die Frigos sind ein einfacher Weg, um Lebensmittel zu retten. Auch für Messieurs, selbstverständlich.