Wenn Krankheit arm macht. Und einsam

«Vor drei Jahren musste ich in die Klinik. Fast von einem Tag auf den anderen. Zwölf Jahre hatte ich zuvor im gleichen Restaurant gearbeitet. Immer alles gegeben. Ich bin Köchin. Eigentlich wäre ich gerne Floristin geworden, fand aber keine Lehrstelle. Weil ich gerne kreativ bin, entschied ich mich für die Küche.
Eine Maske aufgesetzt
Ich hatte schon lange gemerkt, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt. Mit den Nerven. Leute sagten mir, such doch eine andere Stelle mit weniger Stress. Aber ich zog es durch. Liess nicht zu, dass man mir ansieht, wie schlecht es mir geht. Ich war immer die Fröhliche, für andere da. Wenn jemand frei haben wollte, sprang ich ein; ich hatte nichts mehr neben dem Beruf. Hinzu kam die Angst, Fehler zu machen. Das darf in der Küche nicht passieren. Bis es dann nicht mehr ging. Es war schwierig für mich, mir das einzugestehen. Der Arzt stellte eine Essstörung fest, die Psychologin riet mir zu einem Aufenthalt in einer entsprechenden Klinik. Ich verbrachte dort ein halbes Jahr, musste in der Traumatherapie lernen, mich schwierigen Erfahrungen von früher zu stellen, Gefühle zuzulassen, für mich selbst einzustehen. Das fällt mir immer noch schwer.
* Myriam, 41, lebt in einer Gemeinde im Luzerner Hinterland, wo sie auch aufgewachsen ist. Im März 2022 musste sie aus gesundheitlichen Gründen ihren erlernten Beruf als Köchin aufgeben. Zurzeit absolviert Myriam über die IV ein Wiedereingliederungspraktikum bei der Luzerner Landeskirche.
Aufs Sozialamt
Die Spirale begann sich weiter zu drehen, hinzu kam nun die Sorge wegen des Geldes. Als Köchin hatte ich zwar nicht viel verdient, aber ich lebte sparsam. Eine Weile erhielt ich meinen Lohn noch, aber als feststand, dass ich nicht mehr in die Küche zurück können würde, wuchs meine Angst. Inzwischen erhalte ich eine IV-Rente. Zuvor musste ich aber meine Ersparnisse aufbrauchen und aufs Sozialamt. Das war schlimm, da wird man sozusagen nackt ausgezogen. Und es heisst: Das weg, dieses weg, viel von dem halt, was man sich erarbeitet hat. Beim Einkaufen konnte ich nur noch auf den Preis achten. Fertig bio.
Ab August kann ich als Umschulung eine Handelsschule besuchen. Mit Blick darauf mache ich jetzt das zweite Büropraktikum. Ich kann inzwischen gut von mir erzählen, aber wenn ich allein in meiner Wohnung bin, holt mich die Angst vor der Ungewissheit immer wieder ein. Hinzu kommt die Einsamkeit. Kolleginnen und Kollegen melden sich nicht mehr, seit ich in der Klinik war. Ich habe in meinem engeren Umfeld eigentlich nur noch eine Freundin von dort und meine Schwester. Menschen werden schubladisiert, weil sie Hilfe angenommen haben oder IV erhalten. Als ob sie nicht richtig im Kopf wären. Ich weiss, es ist meist Unwissen, mit solchen Menschen umzugehen. Aber es ist demütigend.»