Die «Kirchliche Gassenarbeit» wird zum «Tragwerk Luzern»

Dominik Thali

Als Seelsorger Sepp Riedener Mitte der achtziger Jahre mit einem kleinen Team begann, saubere Spritzen an Süchtige zu verteilen, spielte sich die Drogenszene vorwiegend auf der Strasse ab. Heute ist die damals berüchtigte Eisengasse in Luzern nurmehr Erinnerung, gibt es mehr Konsumformen – Stichwort Crack – und muss Sucht nicht mit Obdachlosigkeit einhergehen. Auf der anderen Seite ist das Unterstützungsangebot viel grösser als vor 40 Jahren.
Die «Gassechuchi – Kontakt- und Anlaufstelle» ist das bekannteste davon. Es gibt eine medizinische Grundversorgung, Möglichkeiten zur Körperpflege und zum Kleidertausch, eine Sozialberatung und mit dem «Paradiesgässli» eine Anlaufstelle für Familien. Im «Drug Checking» schliesslich werden, vor Ort oder mobil an Partys und Festivals, Substanzen geprüft. Gefragt ist nach wie vor die Seelsorge. Der dafür verantwortliche Valentin Beck weist auf ein Thema hin, das die öffentliche Hand zunehmend beschäftigt: Süchtige erreichen heute ein höheres Lebensalter als in den Achtzigerjahren; für sie wird es angepasste Wohn- und Pflegeplätze geben müssen.
«Gassechuchi» und «Gasseziitig» bleiben
Kurzum: «‹Gasse› im Namen stimmt schon lange nicht mehr für alle und stigmatisiert Menschen», sagt Geschäftsleiterin Franziska Reist, die inzwischen ein Team von gegen 60 Personen führt. Dies war der Hauptgrund für die Namensänderung. Der zweite: Gut die Hälfte der Mittel kommt inzwischen von der öffentlichen Hand. Die kirchliche Trägerschaft – katholisch, reformiert und christkatholisch – bleibt jedoch bestehen. Auch heissen «GasseChuchi», «GasseZiitig» und «GasseSchoggi» weiterhin so. «Das sind bekannte Marken», sagt Reist.
Der Namenswechsel auf «Tragwerk Luzern – Fachstelle Konsum, Sucht und Armut» war an der Mitgliederversammlung vom 17. Juni unbestritten: umgesetzt und damit öffentlich sichtbar wird er ab Januar 2026. Für Renata Asal-Steger, Präsidentin des Trägervereins, passt die neue Bezeichnung: «Der Name ‹Werk› würdigt unsere Geschichte. Wir sind über die Jahre wirklich zu einem Werk geworden, zu etwas Gewachsenem und Geschaffenem», sagt sie. «Und ‹Werk› sagt auch, dass hier gewerkt wird. An und für etwas, das trägt.»
Gesundheit und Menschenwürde
Sepp Riedener pflichtet ihr bei. Für ihn ist es «eindrücklich zu sehen, wie breit die Gassenarbeit heute tätig ist». Er, der bis 2008 den Betrieb führte und danach bis 2015 noch Seelsorger, war, denkt an die schwierigen Anfangsjahre zurück, als sein Team gegen polizeiliche Allmacht, aufgebrachte Bürger:innen und politischen Widerstand bestehen musste.
Seelsorger Valentin Beck, damals eben erst geboren, nickt. Ihm ist wichtig, worum es schon Riedener damals ebenso ging wie um die Gesundheit der Süchtigen: dass Menschen ihre Würde durch alle Umstände bewahren können. Beck gestaltet um die 20 Abschiedsfeiern jährlich und begleitet Angehörige. Er besucht auch Suchtkranke im Spital oder im Gefängnis. «Jeder Mensch hat auch eine Seele. Das ist heute nicht anders als vor 40 Jahren.»
Diskutieren und Feiern zum 40-Jahre-Jubiläum
Die Gassenarbeit Luzern feiert 2025 ihr 40-jähriges Bestehen. Zwei Veranstaltungen dazu haben bereits stattgefunden. Die dritte zum Thema «Sucht und Alter» findet am Donnerstag, 21. August, um 20 Uhr in der «Gassechuchi» am Geissensteinring 24 in Luzern statt (Türöffnung 19.30 Uhr, Eintritt frei, Kollekte). Ein öffentliches Fest am Samstag, 20. September, ab 12.15 Uhr in der Kornschütte Luzern schliesst das Jubiläum ab.