Die Jugendarbeit in Fluss bringen

Kirche und Jugend? Herausforderungen? Er erlebe nicht die Jugendlichen als herausfordernd, sagt der Religionspädagoge Michael Zingg, sondern oft die Kirche und ihre Verantwortlichen. Ein Meinungsbeitrag.
Mitte August nahmen rund 70 Luzerner Jugendliche an einer Schlauchboot- und Kanutour auf der Reuss teil, einem gemeinsamen Angebot der Kantonalkirche und Pastoralräume. | © Michael Zingg

Eine Umfrage unter allen Pastoralräumen im Bistum Basel zeigt, dass im Kanton Luzern etwa 400 Stellenprozente für offene kirchliche Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Das entspricht gerade einmal vier Vollzeitstellen für knapp 37 000 katholische Jugendliche! Es stellt sich für mich die Frage: Interessieren sich die Pastoralräume genug für die Bedürfnisse und die Lebenswelt der Jugendlichen? Gerade in den Jugendlichen steckt ein enormes Entwicklungspotenzial, das die Kirche nutzen könnte: andere Perspektiven, Ideen, Fragen und Interessen.

Vorbildliche Bedingungen 

Mit gutem Beispiel voran geht der Pastoralraum Kriens. Die Jugendlichen werden hier in die Organisation und die Leitung von Projekten einbezogen und dürfen Verantwortung übernehmen. Die kirchlichen Jugendarbeiter:innen haben genügend Ressourcen. So können sie auch an Netzwerktreffen und Weiterbildungen teilnehmen. Auch die Mitarbeit an regionalen und kantonalen Projekten wird grosszügig unterstützt.

Das ist vorbildlich! Die Pastoralräume sollten sich auf die jungen Menschen mit ihren Interessen sowie Fragen und ihren Lebensstil einlassen. Das bedeutet für die Verantwortlichen, sich von ihren eigenen Vorstellungen davon, wie die Jugend oder die kirchliche Jugendarbeit zu sein hat, zu verabschieden. Echtes Interesse an den Jugendlichen bedingt die Offenheit dafür, dass junge Menschen Kirche nach ihren Vorstellungen mitgestalten und mitprägen dürfen.
 

«Echtes Interesse an den Jugendlichen bedingt die Offenheit dafür, dass junge Menschen Kirche nach ihren Vorstellungen mitgestalten und mitprägen dürfen.»

Michael Zingg

Denn bei ihnen haben die Angebote der Kirche keine hohe Priorität. Sie sind skeptisch. Daher ist es für sie wichtig, einen Platz zu haben, um sich über den Glauben und den Sinn des Lebens austauschen zu können. Das steht jedoch nicht an erster Stelle. Dafür muss zuerst eine Gemeinschaft geschaffen werden, in der sich die Jugendlichen wohl und sicher fühlen, in der sich die Menschen vertrauen.

Eine solche Gemeinschaft entsteht nur, wenn kirchliche Jugendarbeiter:innen ein Gespür für die Bedürfnisse der Jugendlichen haben. Sie sollen ein Bild von Kirche vermitteln, das nicht durch Missionieren, sondern durch Vorleben überzeugt: Menschen so annehmen, wie sie sind; das Gute (Göttliche) in ihnen entdecken und fördern; den jungen Menschen Vertrauen entgegenbringen; ihnen Verantwortung übertragen; sie nach ihren Vorstellungen mitgestalten lassen; Räume schaffen, in denen sie mit anderen Freud und Leid teilen können. Und dies alles im Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist wirkt. Entsprechende Erfahrungen sind für den gesamten Pastoralraum wertvoll und geben wichtige Impulse.
 

Mehr als ein Jugendtreff 

Eine solche Gemeinschaft unterscheidet sich vom offenen Jugendtreff der Gemeinde oder vom Fussballverein, weil es darin möglich ist, auch einmal nach dem Sinn des Lebens oder nach dem Göttlichen zu fragen. Die kirchlichen Jugendarbeiter:innen hören den jungen Menschen zu, nehmen ihre Anliegen auf. Sie ermöglichen, Themen zu vertiefen, allenfalls Gottesdienste zu gestalten, Impulse zu setzen, Verantwortung im Pastoralraum zu übernehmen, sich als Firmbegleiter:in zu engagieren oder einfach als Gast willkommen zu sein. Dies stets in der Gewissheit, jederzeit frei von Erwartungen zu bleiben.

Michael Zingg (51) ist Fachverantwortlicher Jugendpastoral der katholischen Kirche im Kanton Luzern. Er hat diesen Beitrag für die September-Ausgabe des Magazins «KirchenGeschichten» der Katholischen Kirche Kriens verfasst.

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