Sterben und Tod

Margrit Epli, Pflegefachfrau im Hospiz: Leben bis zum Schluss. Und dann sterben.

Wertschätzung? Über zwei Jahre hinweg befragt das «Kirchenschiff» Personen nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen zum Schwerpunktthema "Wertschätzung". In dieser Ausgabe: Margrit Epli, Pflegefachfrau im Hospiz Zentralschweiz und Bestatterin.
Margrit Epli, Pflegefachfrau im Hospiz Zentralschweiz und Bestatterin
«Ein Lächeln zu erhalten macht mich dankbar»: Margrit Epli in der Stube des Hospiz’ Zentralschweiz in Luzern-Littau. |© 2022 Dominik Thali

«In der Stube im Hospiz hat es ein Cheminée. Einmal meinte ein Patient, er habe so Lust auf einen gebrätelten Cervelat. Also machten wir ein Feuer, schnitzten Stecken, und alle, die mochten, kamen zu Wurst, Brot und einem Glas Wein zusammen. Letzthin organisierten wir für jemanden ein kleines Konzert mit seiner Lieblingsmusikerin. Das wurde am Ende zur letzten Familienzusammenkunft vor seinem Tod. Ein drittes Beispiel: Die Frau, der wir nach langer Zeit wieder einmal beim Duschen helfen konnten – es brauchte dazu gleich drei Leute von uns – dankte uns mit den Worten, das sei nun ihr Höhepunkt der Woche gewesen. Für uns, die wir jeden Tag selbst duschen können, ist das selbstverständlich. Für jemanden, der sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, aber keineswegs.

Sich selbst sein bis ans Lebensende

Zuhören, Wünsche erfüllen, Eigenarten respektieren, die eigene Würde bewahren helfen: Das ist unsere Form von Wertschätzung. Jeder Mensch, der zu uns ins Hospiz kommt, weiss, dass er sich jetzt auf den letzten Weg macht. Bei uns wird gestorben. Aber auch bis zum Schluss gelebt. Daraus wollen alle das Beste machen. Die Patientinnen und Patienten und wir vom Team. Wertschätzung ist bei uns ein grosses, wenn auch nicht immer ausgesprochenes Wort. Wir leben sie einfach. Im Hospiz haben wir die Zeit dafür, mehr als wohl in manchem Heim.

Jede Person verdient es, bis an ihr Lebensende sich selbst zu sein. Den unterschiedlichen Bedürfnissen kommen wir zum Beispiel entgegen, indem wir keine feste Tagesstruktur und keinen vorgeschriebenen Pflegeplan haben. Wer lange schlafen will, wird nicht zum Zmorge geweckt. Oder wer heute lieber eine Fussmassage mag, statt gewaschen zu werden – kein Problem.

Bescheidenen Menschen fällt es mitunter schwer, Wünsche zu äussern und etwas anzunehmen. Nein danke, hören wir dann, es geht schon. Oft sitzen wir dann einfach am Bett, still oder im Gespräch. Daraus entstehen Verbindung und Vertrauen. Allein dieses Dasein ist ein Geschenk für jemanden, der es sich nicht gewohnt war, dass ein Gegenüber einfach Zeit hat.

Wenn dann ein Mensch gegangen ist, kann er bis zu drei Tage im Zimmer bleiben, damit Familie und Freunde Abschied nehmen können. Wir ziehen ihm oder ihr das an, was diese Person im Leben ausmachte oder gewünscht wurde. Ob es nun ein Anzug ist oder eine Tracht. Auch schon war es das Hochzeitskleid.

Meine Erfahrung ist: Verbindungen mit Menschen geben dem Leben seinen Wert. Ich lerne aus jeder Begegnung und jedem Abschied etwas für mich. Wenn ich ein Lächeln zurückbekomme, macht mich das dankbar und zufrieden.

Margrit Epli (52) ist Pflegefachfrau im Hospiz Zentralschweiz in Luzern-Littau, Bestatterin bei der Belorma GmbH und Mitglied des Careteams Luzern. Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter und lebt in Buttisholz.

 

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