Diakonie / Freiwilligenarbeit

Kirchliche Gassenarbeit: Menschen helfen, ihre Würde zu bewahren

Kirche bietet handfeste Hilfe. In Luzern unterstützt die kirchliche Gassenarbeit Menschen, die von Sucht und Armut betroffen sind, in allen Lebenlagen. Die Kirche, damals Gründerin des Trägervereins, setze hier ihre urchristliche Haltung in die Tat um, sagt Seelsorger Franz Zemp.
Während der Dreharbeiten zum Kurzfilm über die kirchliche Gassenarbeit am 21. Januar im Vögeligärtli in Luzern. Regisseurin Antonia Meile mit Gassen-Seelsorger Franz Zemp. | © 2020 Roberto Conciatori

«Uns geht es um die Würde jedes einzelnen Menschen, um Gerechtigkeit und Selbstverantwortung», sagt Zemp. Das heisst zum Beispiel, ganz praktisch: In der Kontakt- und Anlaufstelle gibts Duschen und saubere Kleider. «Damit Frauen und Männer trotz Sucht und Armut einigermassen gepflegt, frisiert und gut angezogen unterwegs sein können», wie die Mitarbeiterin Angelika Wanner sagt. Oder das Paradiesgässli: Es kümmert sich um die Kinder von süchtigen oder armutsbetroffenen Eltern. Hier geht es um Verantwortung und Erziehungskompetenz, um Rechts- und Finanzfragen.

Der Barmherzige Samariter machte es vor

«Dabei entscheiden wir nicht über jemanden, sondern mit ihm», betont Franz Zemp. Der Theologe ist seit August 2015 Seelsorger «uf de Gass» und seither für die Menschen am Rand ein Boot-Schafter in vielerlei Hinsicht: er hört zu, hat Zeit, findet die Worte, wenn sie anderen fehlen. Sich einzusetzen für andere sei «eine urchristliche Aufgabe», sagt Zemp, und beruft sich dabei auf den barmherzigen Samariter aus der Bibel, der für den von Wegelagerern Ausgeraubten zu einer Herberge führt und den Wirt für Obdach und Pflege entlöhnt.

Die katholische Kirche Stadt Luzern hatte die Gassenarbeit 1985 gegründet; sie bildet bis heute mit der reformierten Stadtkirche und den drei Landeskirchen die ökumenische Trägerschaft des Vereins Kirchliche Gassenarbeit. Längst fliessen auch staatliche Gelder in die Gassenarbeit; Kirchen und Staat teilen sich die Aufgabe heute in gegenseitiger Verantwortung.

Viele Anlegestellen

Die kirchliche Gassenarbeit Luzern besteht aus fünf Betrieben: der Gassenküche, der Kontakt- und Anlaufstelle, dem Schalter 20, der aufsuchenden Sozialarbeit und der Seelsorge. Vergangenes Jahr nutzten rund 950 Klientinnen und Klienten diese Angebote (siehe unten).

Vertreterinnen und Vertreter der Betriebe erklären im ersten Kurzfilm, der im Jubiläumsjahr der Landeskirchen entsteht, was «Kirche kommt an» bei ihnen bedeutet. Im Verlauf des Jahres entstehen drei weitere solche Filme; Regie führt jeweils die Luzerner Filmemacherin Antonia Meile. Von weiteren Anlegestellen berichten die Kirchen in Text und Bild; alle Beiträge sind über die Website kirche-kommt-an.ch verfügbar. Unter anderem führt die Bootsfahrt im Februar zur Notfallseelsorge und am 15. März zum Wallfahrtsort Heiligkreuz.

Praktische Hilfe im Alltag

«Wir wissen, dass es nie eine suchtfreie Gesellschaft geben wird. Die Suchtformen wie auch unser Zielklientel verändern sich indessen ständig. Uns ist es wichtig, zeitgemäss zu bleiben», sagt Franziska Reist, Geschäftsführerin des Vereins Kirchliche Gassenarbeit seit Oktober 2018. Darauf war der Verein schon immer bedacht. So führte er beispielsweise im Jahr 2000 ein damals ein in der ganzen Schweiz einzigartiges Angebot für suchtbetroffene Eltern und ihre Kinder ein – das Paradiesgässli. Dieses feiert nun im Februar 2020 sein 20-jähriges Bestehen.

Im vergangenen Jahr (2019) nutzten insgesamt 949 Klientinnen und Klienten die Angebote des Vereins Kirchliche Gassenarbeit, durchschnittlich 80 Klientinnen und Klienten suchten täglich die GasseChuchi – Kontakt- und Anlaufstelle auf. 10‘447 Essen wurden ausgegeben, 387 Wunden behandelt. 338 Mal wurde geduscht und 572 wurden Kleider gewaschen. Die Beratungsangebote führten 90 Einkommensverwaltungen und 304 Sozialberatungen und das Paradiesgässli betreute 80 Familien mit deren 100 Kindern.

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