Das duale System der katholischen Kirchen in der Schweiz ist herausfordernd, aber letztlich voller Chancen: Margrith Mühlebach-Scheiwiller, Bistumsregionalverantwortliche, und Annegreth Bienz-Geissler, Synodalratspräsidentin, ziehen nach den zwei Schwerpunktjahren dazu Bilanz.
Weshalb machte man das duale System zum
Schwerpunktthema? Hatten die Verantwortlichen in den Kirchgemeinden und
Pfarreien sozusagen «Nachhilfe» nötig?
Grundsätzlich wissen sie um das duale System, sind
sich dessen in der täglichen Arbeit aber oft zu wenig bewusst. Neue Kirchenratsmitglieder
wiederum kennen es noch nicht. Sie hören davon in der Amtseinführung, die Umsetzung
im Alltag ist jedoch nicht einfach. Kirchenrätinnen und -räte bewegen sich im
öffentlich-rechtlichen Rahmen und müssen gleichzeitig das duale System leben.
Auch die pastoral Verantwortlichen vor Ort erleben
die Situation als komplex und anspruchsvoll. Es war deshalb wichtig, dass wir
in diesen zwei Jahren das Bewusstsein für das duale Neben- und Miteinander gestärkt
haben.
Wo liegen die Wissenslücken? Welches sind die Herausforderungen?
Wissenslücken orten wir bei neuen Kirchenräten, wenn
es ums Umsetzen geht. Schwierig ist das aber eigentlich nur, wenn vor Ort die
Kommunikation und die Zusammenarbeit nicht funktionieren. Oder etwa in
Personalfragen, wenn die persönliche Betroffenheit mitspielt.
Herausfordernd kann es für ein
Kirchenratsmitglied sein, einem Gemeindemitglied das duale System erklären zu
müssen. Wenn zum Beispiel jemand ein Anliegen zur Liturgie hat oder ein Problem
mit dem Religionsunterricht, dann muss diese Person sich an die Pfarreileitung wenden
und nicht den Kirchenrat. Ein anderes Beispiel: Jemand lässt sich in den Kirchenrat
wählen, der sich zugleich in der Pfarrei engagiert. Da wird es schwierig, sich
zur einen oder anderen Seite abzugrenzen. Bei Bauprojekten hingegen ist das
Bewusstsein gewachsen, dass es wichtig ist gemeinsam unterwegs zu sein. Da
haben wir einiges erreicht.
Auf welcher Seite des dualen Systems gibt es eher
Probleme, auf der pastoralen oder staatskirchenrechtlichen?
Die Abgrenzung und das Akzeptieren der je eigenen
Aufgaben und Kompetenzen ist nicht immer einfach. Man redet sich gerne
gegenseitig drein.
Wie haben Synodalrat und Bistumsregionalleitung
die Schwerpunktjahre genutzt, um gemeinsam für das Thema zu werben?
Wir gehen nicht erst bei Konflikten ins Gespräch,
sondern schon vorher, wenn das Thema komplex ist. Wir fördern die gegenseitige
Kommunikation; auch schon brauchte es kurzfristig vor Ort eine Art Crash-Kurs.
Auch bei den Einführungen neuer Behördenmitglieder treten wir
selbstverständlich gemeinsam auf. Miteinander verkörpern wir sozusagen die
duale Struktur.
Das duale System sei «stark, aber auch sensibel»,
sagte Bischofsvikar Ruedi Heim im Januar 2018 zum Start der beiden
Schwerpunktjahre. Wo und wie haben Sie 2018 und 2019 das erlebt?
Sensible Momente gibt es in schwierigen
Personalsituationen auf beiden Seiten, insbesondere bei Personalwechseln, wenn
man die Nachfolge im Kirchenrat oder in der Seelsorge nicht angemessen regeln
kann. Man möchte eben das behalten, was man hat. Wo es Unsicherheit gibt, ist
Abgrenzung schwierig.
Eine Kirchmeierin sagte im « Kirchenschiff»,
mögliche Amtsträgerinnen und -träger müssten vor der Wahl mehr wissen über das
duale System.
Ein berechtigtes Anliegen. Kirchenratsmitglieder
sind besonders herausgefordert, weil sie im Milizsystem tätig sind, pastorale
Mitarbeitende ausländischer Herkunft wiederum kennen das duale System überhaupt
nicht. Es könnte sinnvoll sein, jeweils vor Gesamterneuerungswahlen der
staatskirchenrechtlichen Behörden zu einer Informationsveranstaltung einzuladen.
Das löst allerdings das Problem bei Wechseln während der Amtszeit nicht.
Haben Sie sich das duale System auch schon zum
Kuckuck gewünscht, wenn Sie in einer Situation schneller und eigenmächtiger
handeln wollten?
Das duale System hat auch grosse Vorteile. Macht
und Einfluss sind verteilt, die Verantwortung kann geteilt werden. Hier
Theologie und Seelsorge, da Finanzen oder Immobilien: Die Kompetenzen sind auf
beiden Seiten verschieden, können und müssen so genutzt werden. Die zwei Seiten
sind gezwungen, im Austausch zu sein. Zum Kuckuck gewünscht haben wir das noch nie,
im Gegenteil. Wir sehen die Chance darin, zu zweit unterwegs zu sein. Seine je
eigene Kompetenz klar zu vertreten, stärkt das Ganze und zeugt von Respekt und
Wertschätzung.
Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt. Margrith Mühlebach-Scheiwiller und Annegreth Bienz-Geisseler haben die Fragen gemeinsam beantwortet.
Dual stark (XIX)
In der katholischen Kirche in der Schweiz verantworten Seelsorge und Behörden die Kirche gemeinsam. Das «Kirchenschiff» lässt Personen zu Wort kommen, die in diesem dualen System tätig sind. In dieser Ausgabe ziehen Synodalratspräsidentin Annegreth Bienz-Geisseler und Margrith Mühlebach-Scheiwiller, Bistumsregionalverantwortlich, Bilanz über die zwei «dual stark»-Schwerpunktjahre 2018 und 2019.