Die Kirche bringt das Leben ins Fliessen

Diesmal ist alles anders: Statt zu ihrem neuen Leitsatz eine Veranstaltung durchzuführen oder Geschenke zu verteilen, unterstützt die katholische Kirche im Kanton Luzern Einrichtungen, die sonst von ihr kein Geld erhalten. Das Publikum entscheidet dabei mit.
Der Marienbrunnen bei der Luzerner Hofkirche. Wasser ist Leben, Kirchengeld lässt es manchenorts kräftiger sprudeln. | © 2024 Dominik Thali

Die farbigen Streichholzschachteln zum Thema «Wertschätzen» liegen noch vielerorts herum. Jetzt, im ersten Jahr unter dem Stichwort «Lebenswert» (siehe Kasten), belässt die Kirche das Geld für derlei Aktionen – 20'000 Franken – vorerst auf ihrem Konto und überweist es Ende Jahr fünf Einrichtungen, die von der Landeskirche ansonsten nicht unterstützt werden. Welche Summe wohin fliesst, entscheiden Landeskirche und Bistumsregionalleitung nicht selbst. Vielmehr können an Terminen wie Generalversammlungen oder der Synode die Teilnehmenden ihre Stimme abgeben. Das breite Publikum kann dies ebenfalls: am Kirchenauftritt an der LUGA oder an der Aktionswoche zu «50 Jahre Behindertenseelsorge» im September. Im Dezember werden die Stimmen zusammengezählt. Die Einrichtung mit den meisten erhält 6000 Franken; danach gibt es abgestuft 5000, 4000, 3000 oder 2000 Franken.
 

Gemeinsames Leitbild, zehn Leitsätze

Bischofsvikar Hans­peter Wasmer und Synodalratspräsidentin Sandra Huber. | © Dominik Thali

Synodalrat und Bistumsregionalleitung haben seit 2015 ein gemeinsames Leitbild. Jeweils während zweier Jahre steht einer der zehn Leitsätze im Mittelpunkt. 2024 und 2025 ist es der Satz «Wir setzen uns ein für ein ‹Leben in Fülle› und fördern das soziale und diakonische Engagement», zusammengefasst im Wort Lebenswert.

Die Geschichten zum Schwerpunktthema 2022/23 wurden unter dem Stichwort WERTschätzen zusammengetragen.

Ein Daseinsgrund der Kirche

Bischofsvikar Hanspeter Wasmer betont, die Kirche verschenke nicht einfach Geld, sie gebe es mit dem neuen Leitsatz einfach anders als bisher aus. Das passe zum «Leben in Fülle», von dem darin die Rede sei. «Ein solches Leben Menschen in unterschiedlichsten Situationen zu ermöglichen, ist einer der Daseinsgründe der Kirche.» Die Landeskirche gab im vergangenen Jahr rund 1,5 Millionen Franken für Soziales und Kultur aus. Die fünf Einrichtungen, die nun erstmals berücksichtigt werden, tauchen alle neu im Kontenplan auf:

  • Freizeitzirkel Luzern: Dieser Verein macht Freizeitangebote für Menschen mit einer geistigen Behinderung. «Mit dem Geld der Kirchen können wir uns breiter bekannt machen und verschiedene Anlässe günstiger oder sogar kostenlos anbieten», sagt Präsidentin Tanja Wegst.
  • Don Bosco Jugendhilfe weltweit: Das Hilfswerk wird mit dem Kirchenbeitrag ein Mädchenschutzhaus in Mexiko unterstützen. «Ein Herzensprojekt von uns», sagt Geschäftsleiter Markus Burri. Es mache das Leben der Mädchen lebenswert, die in diesem Haus unterkämen, nimmt Burri Bezug auf den kirchlichen Leitsatz.
  • Verein Familientrauerbegleitung: Der 2018 in Luzern entstandene und inzwischen überkantonal tätige Verein, der Kindern und Jugendlichen, die einen Elternteil oder Geschwister verloren haben, Zugang zu Trauerbegleitung ermöglicht.
  • Pro Senectute Luzern: Das Kirchengeld fliesst in das aktuelle Impuls-Thema der Organisation im Dienst der älteren Menschen ein: «Was uns im Alter stärkt. Resilienz als Kraftquelle für Geist und Seele».
  • Pro Velo Luzern: Die Velo-Lobby bietet unter anderem Velofahrkurse für Migrantinnen an. «Das Engagement für sozial Benachteiligte verbindet uns mit der Kirche», sagt Geschäftsführer Bruno Rüegge.

Synodalratspräsidentin Sandra Huber sieht es als «Privileg der Kirche» an, Einrichtungen und Menschen unterstützen zu können – eine Form von Wertschätzung, sagt sie. Und fügt mit einem Lächeln an: «Am meisten freue ich mich natürlich, überraschen zu dürfen.»

Lebenswert

Lesen Sie jetzt unsere Geschichten zum Zweijahresschwerpunkt.

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